Satire

Morgenfuchs Historie:
Tag der Deutschen Einheit



Jedes Kind in Deutschland weiß, der 3. Oktober ist ein Feiertag. Nun gut, manch einer wird heute wohl vor verschlossenen Türen gestanden haben, als ihm bewusstwurde, dass die Supermärkte heute geschlossen bleiben. Doch wie kam es dazu, dass der deutsche Nationalfeiertag auf ein scheinbar solch neutrales Datum fällt? Eins kann ich vorab sagen, die Suche nach dem Tag war lang und beschwerlich.

Deutschland als Nationalstaat gibt es noch gar nicht so lange. Am 18. Januar 1871 wurde das deutsche Kaiserreich im prunkvollen Spiegelsaal von Versail, einem Schloss in Frankreich, verkündet. Manch einer könnte sich an dieses Ereignis sogar noch erinnern.
Dies stellte am Ende des Deutsch-Französischen-Kriegs, welcher von 1870 bis 1871 geführt wurde, eine Demütigung des französischen Volkes dar.
Kurz nach der Gründung des Deutschen Reiches kam auch schon der Wunsch eines Nationalfeiertags in der Bevölkerung auf, um den Stiftungstag des Reiches gebührend feiern zu können und da andere Nationen wie Frankreich schon lange einen hatten. Der erste Gedanke war natürlich der 18. Januar als Tag der Reichsgründung, doch Kaiser Wilhelm der Erste war dagegen. Er sorgte sich darum, dass der Krönungstag des ersten preußischen Königs dadurch zu sehr in Vergessenheit geraten könne, denn der Ruhm Preußens sollte durch einen gesamtdeutschen Feiertag nicht in den Schatten gestellt werden. An und für sich war das aber auch schon ziemlich eitel.

Auch der Sedantag, Tag der Kapitulation der französischen Armee, welcher 1872 zum zweiten Mal als „Dank- und Friedensfest“ vorgeschlagen wurde, konnte sich nicht durchsetzen und dass, obwohl der Tag in der breiten Öffentlichkeit große Beliebtheit und Akzeptanz genoss und ab 1873 auf Anordnung des preußischen Kultusministeriums an Schulen und Universitäten gefeiert wurde.
So viel zum Thema Deutsch-Französische-Freundschaft …

Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde in der ersten Demokratie Deutschlands, der Weimarer Republik, erneut über einen Nationalfeiertag diskutiert. Bei einer Nationalversammlung im Jahre 1919 wollte man erst den 1. Mai zum Nationalfeiertag machen, daraufhin passierte jedoch die nächsten zwei Jahre überhaupt nichts …
Schließlich wurde dann der 11. August zum Feiertag ernannt, wurde jedoch nie zu einem gesetzlichen Feiertag. Die Regelungen blieben uneinheitlich für den ‚Tag der Unterzeichnung‘, sodass jedes der Länder selbst entscheiden musste, ob und wie der Tag gefeiert wird.
Während Baden und Hessen den Tag feierten, taten es Länder wie Bayern nicht.
Eine ungewohnte Bescheidenheit von Bayern, wenn man mal bedenkt, dass sie heute die meisten Feiertage besitzen.

Der ‚Tag der nationalen Arbeit‘, heute Tag der Arbeit, wurde 1933 von den Nationalsozialisten zum Nationalfeiertag des Deutschen Volkes gemacht. Der NSDAP hat es überhaupt nicht gepasst, dass jedes Jahr der ‚Tag der Unterzeichnung‘ und somit auch die Demokratie gefeiert wurde.
Am 17. April 1933 schrieb Goebbels in sein Tagebuch: [„Den 1. Mai werden wir zu einer grandiosen Demonstration deutschen Volkswillens gestalten. Am 2. Mai werden dann die Gewerkschaftshäuser besetzt. Gleichschaltung auch auf diesem Gebiet. Es wird vielleicht ein paar Tage Krach geben, aber dann gehören sie uns. Man darf hier keine Rücksicht kennen. (…) Sind die Gewerkschaften in unserer Hand, dann werden sich auch die anderen Parteien und Organisationen nicht mehr lange halten können.“]
Der 1. Mai 1933 wurde groß gefeiert, schwarz-weiß-rote Flaggen wurden an den Gewerkschaftshäusern aufgehängt, hunderttausende versammelten sich im Berliner Lustgarten, 1200 Sänger traten auf und Reden wurden gehalten. Zuvor fand die Flagge Verwendung als deutsche Flagge auf Handels- und Kriegsschiffen.
Ein Tag später fand dann überraschend die Zerschlagung der freien Gewerkschaften statt, bei dem die Häuser fortan von der NSBO, SA und der SS besetzt wurden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es Deutschland nicht nur plötzlich zweimal, sondern auch zwei Nationalfeiertage. Welch Ironie, dass es trotzdem nur eine Hauptstadt gegeben hat …
In Ostdeutschland wurde der ‚Tag der Republik‘ zum Nationalfeiertag ernannt, dieser erinnert an die Gründung der Deutschen Demokratischen Republik am 7. Oktober 1949.
In Westdeutschland wurde hingegen der Aufstand vom 17. Juni 1953 in der DDR zum offiziellen Feiertag ernannt.
Na, wenn das mal nicht eine versuchte Provokation war …

Als dann nach der Wiedervereinigung wiederholt nach einem gemeinsamen Feiertag gesucht wurde, kam gleich die Idee dazu auf, den 9. November 1989 zu wählen. Was wäre besser dafür geeignet als der Tag, an dem die Mauer gefallen ist? Ihr wisst schon, David Hasselhoff glaubt ja bis heute die Mauer in Grund und Boden gesungen zu haben … in der Silvesternacht 1989/1990. Lange nach Mauerfall … Ich muss der Mauer an der Stelle mein Beileid aussprechen, niemand sollte mit diesem Song gefoltert werden.
Aber der Tag, an dem die Demokratie in Deutschland ausgerufen wurde, wäre auch ein schönes Datum. Die Novemberrevolution am 9. November 1918.
Doch blöderweise fand am 9. November 1938 auch die „Reichskristallnacht“ statt. Der Beginn der Judenverfolgung im Nationalsozialismus. Daher suchte man weiter und wählte den 3. Oktober 1990, der Tag, an dem die neuen Bundesländer zu den 10 alten der Bundesrepublik Deutschland hinzukamen.

2004 wurde das bisher letzte Mal über den Nationalfeiertag diskutiert. Der 3. Oktober war Gerhard Schröder so unpersönlich, dass er den ‚Tag der Deutschen Einheit‘ auf den ersten Sonntag des Oktobers verlegen wollte, um so einen gesetzlichen Feiertag einzusparen und die Steuereinnahmen zu steigern. Glücklicherweise ist er daran gescheitert und so haben wir bis heute am 3. Oktober jeden Jahres einen arbeitsfreien Tag.



So oder so ähnlich lief die Suche nach dem Tag der Deutschen ab. Für den genauen Ablauf und weitere Hintergründe steht die Quellensammlung dem geneigten Historiker gerne zur Verfügung. Diese ist auf www.foxtipp.eu am Rand des Artikels zu finden.

Einen schönen restlichen Feiertag wünschen Autor und Lektorat vom MorgenFuchs!